Durch Untersuchungen über die geschichtliche Entwicklung eines Gegenstandes oder einer Institution werden Grundlagen gesichert, neue Bereiche erschlossen und unterschiedliche Einsichten in die Strukturen und den Strukturwandel des Geschehens geboten. Bei einer Betrachtung der Geschichte als Funktionskette die zur Gegenwart führt - denn nur Gegenwärtiges als Gewordenes und Werdendes ist für uns faßbar und unserer Erkenntnis zugänglich - gewinnen Personen, Fakten und Daten vergangener Zeiten beträchtlichen Wert. Ihre Darstellung ist der einzige Weg, auf dem wir die Kontinuität des Geschehens feststellen und unsere Zeit zu begreifen vermögen.
Das Arbeitsgebiet von Gartenarchitektur und Landschaftspflege ist bereits am Beginn der Ausbildung an der Königl. Obst- und Weinbauschule in Geisenheim mit dem Fach "Landschaftsgärtnerei" und einigen Nebenfächern relativ gut vertreten. In seinem ersten Bericht über die Tätigkeit der Lehranstalt schreibt Direktor Oswin Hüttig: "Die Eleven machten im Copieren größerer Gartenpläne, wie im Blumen- und Früchtemalen große Fortschritte und wird damit im nächsten Wintersemester fortgefahren werden, ebenso im Planzeichnen durch Entwerfen von Gartenanlagen, correspondierend mit den Vorträgen über Landschaftsgärtnerei, die mit denen über Wildbaumzucht vier Semester in Anspruch nehmen. Im vierten Semester tritt an Stelle des Feldmessens das Nivellieren mit dementsprechenden Zeichnen und Rechnen." [1].
Hüttig [2] hatte in Schweden an der landwirtschaftlichen Hochschule in Alnarp den Gärten "vorgestanden" und dort Vorlesungen über Gartenbau gehalten, später bei Göteburg eine eigene Schule zur gärtnerischen Ausbildung von Schullehrern geleitet [3]. In der Wochenschrift des Berliner Gartenvereins waren von ihm Berichte über die Obsternte in Schweden erschienen [4] und 1871 ein Auf,satz: "Uber Schulgärten", als eine der frühesten Veröffentlichungen zu diesem Thema [5]. Als erstes von acht Büchern, die Hüttig im Laufe der Zeit schrieb, erschien eine "Geschichte des Gartenbaues" in der bekannten "Thaer-Bibliothek" [6]. Die Beschäftigung mit der Geschichte des Faches mag zwar bezeichnend für die damalige Zeit einer Überbetonung der Historie sein; es ist jedoch festzustellen, daß viele seiner späteren Kollegen und Nachfolger, Goethe, Glogau und andere bis in die Gegenwart hinein Studien zur Geschichte der Gartenkunst oder des Berufsstandes erstellten und veröffentlichten.
Neben Hüttig wirkte ebenfalls ab 1872 Bruno Teichler [7], der in Erdmannsdorf bei seinem Vater gelernt, in Wildpark unter Lenné studiert und in der Zeit von 1863 bis zum Kriegsausbruch 1870 im Botanischen Garten zu Berlin, in den Kew-Gardens in London, im Jardin des Plantes, Paris, und beim Fürsten Pückler in Branitz als Obergärtner gearbeitet hatte. Aus dem Kriege zurückgekehrt, wurde er als Obergärtner und Lehrer in Geisenheim angestellt. Nach dem Ausscheiden Hüttigs (1874) hatte er neben den bereits erwähnten zeichnerischen Fächern auch Landschaftsgärtnerei und Bienenzucht zu lehren. Als sein Vater sich von der Arbeit zurückzog, quittierte Teichler ebenfalls in Geisenheim seinen Dienst und ging als königl. Hofgärtner nach Erdmannsdorf in Schlesien zurück.