Der Generalkonsul Eduard Lade [8], gebürtiger Geisenheimer und seit 1860 ständig hier ansässig, hatte durch seinen Einfluß am Hofe in Berlin und mit Hilfe eines außergewöhnlichen persönlichen Einsatzes die Wahl Geisenheims als Standort für die Errichtung eines "pomologischen Instituts" durchgesetzt. In Anerkennung dieser Tatsache betraute der Landwirtschaftsminister den ihm persönlich gut bekannten Lade mit der Aufsicht über den Aufbau der Anstalt. Alle Pläne, Grundstückskäufe, Anschaffungen, Einstellungen und Pflanzungen wurden von Lade vorbereitet und getätigt. Dem neu bestellten Direktor wurde folgerichtig im Anstellungserlaß erklärt, daß er "alle wichtigen Gegenstände, namentlich etwa von Ihnen für zweckmäßig und wünschenswert erachtete wesentliche Abweichungen von den Einrichtungs- und Anlage-Plänen mit Herrn Lade zu beraten und im Falle ein Einverständnis zwischen dem Letzteren und Ihnen nicht zu erzielen sein sollte, meine Entscheidung über die obwaltende Differenz einzuholen haben..." [9]. Diese eigenartige Konstruktion bedeutete für den Direktor, daß er zu verantworten hatte, was er nicht veranlaßte und hatte zur Folge, daß ein Privatmann wesentlichen Einfluß auf die Geschäfte der Anstalt nahm: Leute auswählte und einstellte, die dann als Aufpasser fungierten und durch Denunziation die Atmosphäre vergifteten. Als im Herbst 1873 auf Anfrage Hüttig erklärt wird, daß man höheren Orts gedenke, seine Befugnisse noch weiter einzuschränken [10], resigniert er und bittet um Entlassung, die ihm zum 31.1.1874 gewährt wird. In konsequenter Fortführung des bisherigen Verfahrens bestellte nun die Regierung einen Verwaltungsfachmann, den Geh. Regierungsrat Arndts als Verwaltungsdirektor und suchte als Nachfolger Hüttigs für die "technisch gärtnerische Leitung der Anstalt und die Beaufsichtigung der gärtnerischen Anlagen derselben, ferner (für) die Erteilung des Unterrichts im Garten- und Obstbau an der mit dem Institut verbundenen Lehranstalt..." [11] keinen Direktor mehr, sondern einen "techinischen Dirigenten". Diesen findet man im Hofgärtner F. Schmidt aus Roßlau [12], dem bei der Einstellung wiederum nahe gelegt wird, bei der Auswahl von Baumschulen zur Lieferung von Obstbäumen den Rat des Herrn Lade einzuholen. Daß man sich in Berlin aber nicht mehr ganz allein auf die pomologischen Kenntnisse Lades verließ, erhellt daraus, daß Gartendirektor Stoll von Proskau beauftragt wurde, einen Plan für die "notwendige Veränderung des Obstparkes" zu erstellen, dessen Ausführung Schmidt aufgetragen wird. Schmidt und Teichler sollen sich den gärtnerischen Unterricht teilen. Dabei wird Schmidt gehalten, die schwierigeren und wichtigeren Unterrichtsgegenstände zu übernehmen, " ... zu denen namentlich auch Landschaftsgärtnerei zu rechnen ist" [11]. Eine Folge der eigenartigen Anstaltsorganisation in den ersten Jahren ist die enorme Fluktuation der Lehr- und Fachkräfte. Von 1872 mit O. Hüttig angetretenen sieben Herren gaben mit einer Ausnahme alle bis 1876 ihre Stellungen auf [13] und mußten durch neue Kräfte ersetzt werden.
Nach Teichlers Ausscheiden (1876) übernahm Schmidt zeitweise noch dessen Vorlesungen und Übungen, bis mit Karl Koopmann [14] wieder ein junger Fachmann von der Lehranstalt Potsdam-Wildpark nach Geisenheim kam. In der seine Einstellung betreffenden ministeriellen Verfügung heißt es u. a.: "Für die Stelle des Obergärtners bei dem dortigen pomologischen Institute habe ich den Gartenkünstler Koopmann ... ausgewählt" [15]. Damit taucht das erste Mal im Schriftverkehr des Ministeriums 1877 der allein den Absolventen von Wildpark vorbehaltene Titel "Gartenkünstler" auf. Koopmann blieb nur ein halbes Jahr, um dann als Leiter einer Versuchsanstalt nach Russisch-Mittelasien zu gehen [16]. Auch Bruno Strauwald [17], ein Ostpreuße aus Tapiau, der in Proskau studiert hatte und später als vorzüglicher Treib-Spezialist galt, blieb nur ein knappes Jahr in Geisenheim. Seine Einweisung erfolgte zur: " ... Beaufsichtigung und Leitung der im Garten auszuführenden praktischen Arbeiten und zum Teil in der Übernahme gewisser Unterrichtsgegenstände, zu denen u. a. auch Feldmessen und Nivellieren, sowie Zeichnen und Malen gehören" [18].
Mit der Übernahme der Anstaltsleitung durch Rudolf Goethe [19] hört endlich der ständige Personalwechsel auf. Sowohl in der Lehre als auch in der Forschung treten normale Verhältnisse, Kontinuität und Ruhe ein. Rudolf Goethe, 1843 in Naumburg/Saale geboren, besuchte die Gymnasien in Halle und Weimar und trat 1860 siebzehnjährig als einer der ersten Schüler in das eben von Eduard Lucas in Reutlingen gegründete pomologische Institut ein, wo sein älterer Bruder Hermann als Obergärtner angestellt war. Nach zweijährigem Studium nahm Goethe verschiedene Gehilfenstellungen in Leubitz, Planitz, Erfurt und Muskau an. In Muskau führte ihn Petzold in die Landschaftsgärtnerei ein, danach übernahm er die Petzold'sche Baumschule in Bunzlau. Mit 25 Jahren kaufte Goethe eine Baumschule in Stuttgart, verlegte sie nach Cannstadt und fügte eine Rebschule hinzu. Gleichzeitig nahm er in seinen Betrieb die Landschaftsgärtnerei auf, wobei ihn der Gartendirektor von Karlsruhe, Meyer, besonders unterstützte. Sein Haupttätigkeitsfeld in der Landschaftsgärtnerei war Südbaden. Nach dem Krieg 1870/71, aus dem Goethe als Leutnant zurückkam, wurde die landschaftsgärtnerische Praxis bis in die Schweiz ausgedehnt. Außerdem erschienen seine ersten Veröffentlichungen: "Mitteilungen über die Geschichte der Gartenkunst" [20], "Reiseerinnerungen" [21] usw.