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Gerd Däumel, erschienen in "DAS GARTENAMT", Heft 8 und 9/1972
GEISENHEIM 1872—1972
Hundert Jahre Gartenarchitektur und Landschaftspflege

Das Fach Planzeichnen beginnt mit Übungen im Baumschlag, führt über das Zeichnen von Situations­plänen zu verschiedenen Garten­plänen. Beson­derer Wert wird auf das Zeichnen von Blumen­rabatten und auf das Kolorieren der Pläne gelegt. Auch Übungen und Entwerfen von Garten­plänen werden angezeigt, wobei Aufgaben aus der Wirklich­keit vorzuziehen sind und die Aufstellung von Kosten­anschlägen zur Aufgabe gehört. Das Übertragen von entworfenen Garten­anlagen in die Wirklich­keit soll ebenfalls geübt werden. Die rein künst­lerischen Fächer: Zeichnen nach der Natur und das Malen von Blumen und Früchten übergab Goethe kurz nach dem genannten Angriff aus Wildpark als Lehr­auftrag an den Kunst­gärtner Ludwig Stromberg aus Mainz, der vierzehn Jahre, von 1891 bis 1905, diese Fächer lehrte. Stromberg war ehemaliger Geisenheimer des Jahrgangs 1877/80.

Goethes wesentliches Tätigkeits­feld während seiner Geisen­heimer Zeit bildete der Obst- und Weinbau, denen er auch den Haupt­anteil seiner Ver­öffent­lichungen widmete, während, bis auf kurze Unter­brech­ungen, seine Lehr­tätig­keit im Fach Land­schafts­gärtnerei weiterlief. Nur wenige Aufsätze, die zumeist in der Garten­flora und später in der Garten­kunst erschienen, befassen sich mit land­schafts­gärtnerischen Proble­men [29]. Desto mehr über­rascht es, daß an seinem Lebens­abend ein Buch über "Natur­studien" von ihm erscheint, mit dem Untertitel: "Reise­skizzen eines alten Land­schafts­gärtners" [30]. Etwa 60 Zeich­nungen von Quellen, Bach­läufen, Wasser­fällen, Fluß- und Seeufern, Felsformationen, Bergflanken und immer wieder Pflanzenformationen als kleine Auslese vieler auf Wanderungen durch die verschiedenen Gegenden Deutschlands entstandenen Bilder werden in der Schrift vorgestellt. Teils sind die Szenen mit wenigen Strichen nur knapp skizziert, teils liebevoll und sorgfältig durchgezeichnet, immer aber mit offenem Auge für die Anmut und den Charme einer angetroffenen Situation. "Sie dienten zuerst dem Landschaftsgärtner beim Entwerfen von Anlagen, indem sie die Erinnerung an schöne Bilder in ihm wachriefen und so seine Schaffenskraft belebten; sie boten später dem Lehrer immer wieder neues Material beim Unterrichte in der Gartenkunst, mit Hilfe dessen er die Schüler für das Schöne in der Natur begeistern und zu seinem Studium aneifern konnte", schreibt Goethe in der Einleitung. Die Bilder stammen vorwiegend aus den 80er Jahren, wenige sind älter, einige aus neuerer Zeit. Sie wollen keine Vorbilder zur Nachahmung in Gärten oder Anlagen darstellen, sondern sie sollen dazu anregen, den Blick für die schlichte Schönheit gerade auch des Details in der Landschaft, in Wald und Flur, zu schärfen und überhaupt erst zu entwickeln.

Wie zu der Zeit, als Goethe diese Skizzen anfertigte, die Landschaftsgärtnerei als Nachahmung der Natur betrieben wurde, soll durch folgendes Beispiel belegt werden: In dem Teil seines Buches, in dem er sich mit dem "Entwerfen der Gartenpläne" befaßt, schlägt G. Eichler, Lehrer für Landschaftsgärtnerei an der Kgl. Gärtner-Lehranstalt in Wildpark, als Vorbild für die Form von Seen und Teichen ernsthaft die Umrisse des Kaspischen und des Schwarzen Meeres, des Genfer und des Väner Sees vor, und als Gestalt für Inseln die Umrisse von Madagaskar, Feuerland, Kreta und Zypern [31]. Damit wurde das Prinzip der Naturnachahmung in der Gartenkunst, das im Landschaftsgarten gipfelt, in der Tat ad absurdum geführt. Dagegen war es das von Goethe angewandte Verfahren, kein Klischee und keine vorgegebenen landschaftlichen Formen, womöglich noch in absoluter Maßstabsverkennung, anzubieten, sondern die Studenten auf die überall anzutreffende Realität in ihrer Umwelt hinzuweisen und sie für den Reiz des Natürlichen empfänglich zu machen. Leider erschien sein Buch 20 Jahre zu spät. Der im Formalismus erstarrte Landschaftsgarten war den Angriffen der Architekten, Kunstgeschichtler und fortschrittlichen Gartenarchitekten bereits erlegen. Von dieser Zeit, bis weit in die zwanziger Jahre waren landschaftliche oder der Natur nachempfundene Lösungen gärtnerischer Formprobleme nicht mehr möglich. Erst viel später setzten sich differenziertere Betrachtungsweisen durch, die den klassischen Landschaftsgarten als großartiges Kunstwerk anerkennen und ihm den gleichen Wert beimessen wie anderen historischen Stilarten.

Foto:
Friedrich Glindemann

Die Nachfolge von Seeligmüller, der von der Kaiserin Friedrich als Garten­direktor nach Frie­drichs­hof bei Kronberg berufen wurde, trat sein Schüler Friedrich Glinde­mann [32] an. Glinde­mann hatte nicht mehr den um­fang­reichen Fächer­katalog Seelig­müllers vor­zu­tragen, da im gleichen Jahr Reinhold Mertens ein­ge­stellt wurde, dem 1899 Erwin Junge [33] folgte. Beide hatten den obst­bau­lichen Fach­bereich vor­zutra­gen und zu bear­beiten.

Nach 1903, als Goethe ausge­schieden war, vertrat Glinde­mann neben den gar­ten­bau­lichen Fächern die Land­schafts­gärt­nerei und die Gehölz­kunde und von zeich­ner­ischen Fächern die Per­spek­tiv­kon­struk­tion, das Feld­messen und das Nivel­lieren.

In Potsdam-Wildpark hatte man schon 1890 einen Lehrer allein für die "Garten­kunst" als Haupt­fach ein­ge­stellt: Fritz Encke, den späteren Gartendirektor von Köln. In Geisenheim dauerte es bis 1908, ehe sich die Meinung durchsetzte, daß auch für die "bildende Gartenkunst" ein besonderer Lehrer nötig sei. In dieser Zwischenzeit veröffentlichte Glindemann eine Anzahl von Arbeiten über den Hausgarten, die Verwendung von Rosen im Garten, über die Bekleidung kahler Hauswände durch Kletterpflanzen, die Verwendung der Iris im Garten usw. 1900 erschien seine Schrift über "Die Anwendung der Perspektive im gärtnerischen Planzeichnen" [34] und 1905 sein Buch "Die Rose im Garten" [35]. Ab 1914 sind seine zahlreichen Veröffentlichungen vorwiegend gemüsebaulichen Themen gewidmet. Als Leiter des Gartenbaubetriebes der Lehranstalt war er bis in die 30er Jahre für die Erhaltung und den Ausbau des Anstaltsparkes verantwortlich.

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