Goethe spricht in seinem ersten Jahresbericht 1881 von der Notwendigkeit eines Neuanfangs, einer Neuorientierung der Anstalt, um sie " ... in innige Verbindung mit der Praxis (zu) bringen und die Interessen des Gartenbaus in höherem Grade als früher (zu) berücksichtigen".
Das Lehrangebot wurde vermehrt und die Fächer breiter aufgegliedert. Es gab jetzt Grund-, Haupt- und Nebenfächer. Zu den Grundfächern zählten Botanik, Physik, Mineralogie, Zoologie, Chemie, Mathematik, Pflanzenanbau und Deutsche Sprache. Als Hauptfächer werden aufgezählt: Obstbau, Gemüsebau, Treiberei, Handelsgewächsebau, Landschaftsgärtnerei, Blumenzucht und Pflanzenkultur, Gehölzzucht, Planzeichnen, Malen von Früchten und Blumen, Feldmessen und Nivellieren, Weinbau und Kellerwirtschaft. Die Nebenfächer sind Buchführung, Singen und Turnen.
Der Landschaftsgärtnerei, die Goethe zusammen mit dem als Nachfolger Strauwalds eingestellten Eugen Raphael Seeligmüller im Unterricht vertrat, hat Goethe wesentliche neue Impulse gegeben, die aus seiner landschaftsgärtnerischen Praxis abzuleiten sind: Als neue Einrichtung beginnen 1882 landschaftsgärtnerische Exkursionen in die benachbarten Täler, um den Schülern Anleitung zum Zeichnen nach der Natur zu geben und um sie auf die Art und Weise aufmerksam zu machen, in welcher in der Natur Wasserfälle, Felspartien, Pflanzungen, Hügel, Täler usw. ausgeführt sind" [24]. Diese Beobachtungen und Belehrungen an Ort und Stelle sollen wesentlich zum Verständnis des landschaftsgärtnerischen Unterrichts beitragen. Im Jahre 1883 konnten auf größeren Exkursionen der Palmengarten in Frankfurt, die Kuranlagen in Wiesbaden, der Schloßpark zu Biebrich, das Morgenbachtal und die Rheinanlagen in Koblenz, jeweils unter sachkundiger Führung, besucht werden: "Die Schüler fanden hierbei treffliche Gelegenheit, ihre landschaftsgärtnerischen Kenntnisse zu erweitern und Gartenarchitektur zu studieren" [25].
Eugen Raphael Seeligmüller [26] hatte in Wildpark unter Jühlke 1874/76 studiert und arbeitete dann im Berggarten zu Herrenhausen bei Hannover, anschließend in Edinburg und ein Jahr in Kew-Gardens in London. Danach wirkte er in Charlottenburg, machte 1880 das Obergärtnerexamen und begann am 1.4.1880 seine Tätigkeit in Geisenheim, die über 17 Jahre dauern sollte. Sein Lehrauftrag umfaßte fünf Jahre später: Landschaftsgärtnerei, Blumenzucht, Gemüsebau, Gehölzzucht, Gehölzkunde, Treiberei, Feldmessen, Nivellieren, Planzeichnen und Blumen und Früchte malen.
Dieses gewiß stattliche Unterrichtspaket veranlaßte einen Berliner Fachkollegen, der als Gastdozent in Wildpark wirkt, zu einer heftigen Polemik im "Jahrbuch für Gartenkunde und Botanik" [27] gegen das Geisenheimer Institut. Anhand einer Besprechung des Jahresberichtes von 1887/88 wurde zunächst das Recht auf die Bezeichnung "Höhere" Gärtnerlehranstalt bezweifelt; als Begründung wurde zu geringe Schulbildung der Eleven angeführt und die Tatsache, daß in Geisenheim noch Unterricht "... in deutscher Sprache, Übungen in Aufsätzen und freien Vorträgen, Repetition in Geographie und Geschichte sowie Rechnen gelehrt werden und selbst das Singen als Unterrichtsgegenstand nicht verschmäht wird". Besonders hatte es dem Rezensenten aber das Fächerpaket des Herrn Seeligmüller angetan: "... ist es möglich", fragt er, "daß ein Mann alle diese Gegenstände so beherrscht, um sie dem Lernenden auch so vorzutragen und zum Verständnis bringen zu können, daß derselbe einen brauchbaren Nutzen davon hat?" Diese Frage war damals eine rein theoretische, denn wer kann schon etwas über Ausbildungsergebnisse in der Gegenwart aussagen? Heute wird man feststellen können, daß damals auch von Seeligmüller und seinen Kollegen eine Reihe vorzüglicher Fachleute ausgebildet wurden. Zu seinen Schülern zählen unter anderem: Georg Arends aus Ronsdorf, Otto Schindler, Direktor von Proskau und Pillnitz, die Gartendirektoren W. Hensel von Mannheim und O. Huber von Hannover, aber auch die beiden Gartenbaudirektoren Glindemann und Junge in Geisenheim. Freilich sollte sich auch im Gartenbau bald die zunehmende Spezialisierung aller Arbeitsgebiete auswirken. Dies wird besonders deutlich in dem schwierigen Verhältnis zwischen dem "Allround-Gärtner" alter Prägung - zu Fachleuten, die speziell in "Gartenkunst" und später in "Landespflege" ausgebildet waren.
Beim Ausscheiden Seeligmüllers, 1896, veröffentlicht Goethe im Jahresbericht eine Art Stoffverteilungspläne für verschiedene Fächer [28]. Im Fach Landschaftsgärtnerei beginnt er mit Begriffsdefinitionen und einer Betrachtung über die geschichtliche Entwicklung der Gartenkunst, wobei die verschiedenen historischen Stilgruppen, vor allem aber die Einführung des landschaftlichen Gartenstils in Deutschland behandelt werden sollen. Dann folgen Betrachtungen über den modernen landschaftlichen Garten und über die allgemeinen Grundsätze der Landschaftsgärtnerei. Weitere Themen betreffen die verschiedenen Formen der Gartenanlagen, ihre spezifischen Entwurfsprobleme und die Bedeutung von Form und Farbe in der "bildenden Gartenkunst". Danach soll die Behandlung von Detailaufgaben folgen. Z. B. die Bedeutung und Verwendung von Wasser in seinen verschiedenen Formen und die technische Herstellung von Wasseranlagen, die Verwendung von Felsen und architektonischen Schmuckgegenständen in Parks und Hausgärten oder die Wegeführung sowie die technische Ausführung von, Fahr- und Fußwegen. Ein Kapitel wird der Anlage und Unterhaltung des Rasens gewidmet. Als nächstes, gerade für den Landschaftsgarten wichtiges Thema, kommt die Bepflanzung der Anlagen an die Reihe, d. h. die verschiedenen Arten der Pflanzenanordnung, wann Einzel- oder Gruppenpflanzung und die Fragen der Unterhaltung der Gärten. Zuletzt sind Kostenberechnungen für Bodenbewegung, Wegebau, für die Herstellung von Wasseranlagen und von Blumen- und Teppichbeeten vorgesehen.