Verkehrsmengenproblematik
Oben: Maybachufer 2004. Sehr schlechte Fahrbahn, mäßiges Verkehrsaufkommen, Radfahrende nutzten meistens den Gehweg.
Unten: Umbau des Maybachufers 2005 zur Hauptfahrradroute. Verbreiterung des Gehweges, Bau von Parkhäfen und Asphaltierung der Fahrbahn.
Maybachufer 2015: "Fahrrad"route mit hohem Kfz-Verkehrsaufkommen und regelmäßigen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Besonders problematisch sind die viel zu geringen Überholabstände. Bedingt durch die Straßenbreite ist ein Überholen Radfahrender mit ausreichend Abstand durch Kfz bei Gegenverkehr nicht möglich, aber gelebte Praxis. Insbesondere im unübersichtlichen Kurvenbereich zwischen Pannierstraße und Lohmühlenbrücke kommt es regelmäßig zu Gefährdungen Radfahrender.
Bisher wurde davon ausgegangen, dass Tempo-30-Zonen ohne weitere Maßnahmen für den Radverkehr geeignet sind, sofern der Fahrbahnbelag eine hinreichend glatte Oberfläche aufweist. Der Bau der Neuköllner Fahrradrouten besteht deshalb in erster Linie aus Maßnahmen zur Asphaltierung der sehr schlechten Pflasterstraßen im Tempo-30-Nebenstraßennetz. Nach neueren Erkenntnissen ist die Eignung der Straßen für den Mischverkehr allerdings von der Kfz-Verkehrsstärke abhängig. In seinen im November 2016 verabschiedeten Leitlinien formuliert das der ADFC folgendermaßen: "Im gering belasteten Nebennetz oder bei echter Verkehrsberuhigung und gefahrenen Geschwindigkeiten bis 30 km/h wird der Radverkehr im Mischverkehr geführt. An Straßen mit Verkehrsgeschwindigkeiten über 30 km/h und auf Straßen mit Tempo 30 und hohem Kfz-Aufkommen erfolgt die Führung auf Radfahrstreifen." [11]
Die aktuelle Fahrradroutenplanung stammt aus einer Zeit, als Berlin eine schrumpfende Stadt war und Navigationsgeräte noch unbekannt waren. Die Nebenstraßen wurden vom Kfz-Verkehr tatsächlich nur zur Erschließung der Grundstücke genutzt.
Heute dienen die Fahrradrouten im Nebenstraßennetz oftmals auch dem übergeordnetem Kfz-Verkehr, denn die Asphaltierungen für den Radverkehr stellen auch für den Kfz-Verkehr eine Verbesserung dar. Dank Navigationsgeräten werden diese neu entstandenen Strecken durch Tempo-30-Zonen gefunden und genutzt.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass diese Strecken für den Radverkehr sicher sind, da weniger Unfälle als an Hauptverkehrsstraßen passieren: Dort wo wenig Unfälle passieren, ist es nicht unbedingt sicher. Wo es offensichtlich immer wieder zu Gefährdungen kommt, weichen gerade langsame und unsichere Radfahrende auf andere Strecken (z.B. Hauptverkehrsstraßen mit Radwegen) oder den Gehweg aus oder nutzen andere Verkehrsmittel. Die sich daraus ergebende fatale Logik ist, dass man nur dafür sorgen muss, dass die Menschen Angst haben und das Fahrrad nicht benutzen. Wo niemand Rad fährt, passieren auch keine Fahrradunfälle.
Radverkehrsanlagen trotz Tempo-30-Zone?
Die Anlage von Radfahrstreifen in diesen Abschnitten wird seitens der Verwaltung mit dem Hinweis abgelehnt, dass in Tempo-30-Zonen keine Radverkehrsanlagen zulässig seien. Wie bei allen Gesetzen gilt bei der Auslegung immer zu hinterfragen, was der Gesetzgeber damit erreichen möchte. Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit zu verhindern, ist nicht Ziel der Tempo-30-Zonenregelung:
Wenn das Verkehrsgeschehen solche Maßnahmen erfordert, ist eine Einzelausweisung Tempo 30 in diesen Straßen notwendig. Dann steht das ganze Regelungsinstrumentarium zur Verfügung.
Aber auch innerhalb einer Tempo-30-Zone gibt es Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit Radfahrender: Roland Huhn, Referent Recht des ADFC-Bundesverbands, sagt bezüglich der Zulässigkeit von Schutzstreifen:
Unzulässig sind in Tempo 30-Zonen nur Radwege mit Benutzungspflicht, aber nicht Radwege ohne sie. Dem entspricht das Verhältnis der verwandten Radverkehrsanlagen Radfahrstreifen (mit Benutzungsplicht) und Schutzstreifen (ohne Benutzungspflicht): Die Systematik des Gesetzes spricht deshalb dafür, dass Schutzstreifen in Tempo 30-Zonen angeordnet werden dürfen, und auch nicht nur ausnahmsweise.