Abriss Kiehlsteg
Oben: Fehleinschätzung anlässlich der Demonstrationen an der Eastside-Gallery im März 2013.
Unten: März 2014, kurz nachdem der Kiehlsteg trotz heftiger Bürgerproteste herausgehoben wurde.
Im März 2014 wurde trotz heftiger Proteste der Kiehlsteg abgerissen. Viele Anwohner hatten erst kurz vorher von dem Beschluss der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erfahren und eine Bürgerinitiative gegründet:
Geschichtliche Bedeutung
„Die Berliner Mauer - Denkmal der deutschen Teilung und ihrer Überwindung
Der Schutz der Berliner Mauer stellt eine große Herausforderung für die Denkmalpflege dar. Die innerstädtische Grenze war mit einer leidvollen Erinnerung belastet und stieß aufgrund ihres geringen Alterswertes sowie ruinösen Zustandes auf breite Ablehnung. Die Vermittlung ihrer Bedeutung und somit ihres Denkmalwertes war und ist besonders anspruchsvoll.“
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt [8]
Prof. Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, zum Abriss des Kiehlstegs:
"Diese kleinen unscheinbaren Objekte brauchen eigentlich Paten, um die Geschichte, die sie bezeugen, auch zu erzählen. Das ist das Problem. Ich finde es schade, ich sehe auf der anderen Seite auch, Berlin ist eine boomende Stadt, es geht weiter und es ist ganz schwer, dort Dinge zu bewahren. Ein erfolgreicher Vorstoß war die Bewahrung des Grenzstegs im Osthafen. Das ist ein Objekt, da konnte noch in letzter Sekunde etwas gerettet werden. Authentische Orte sind ganz ganz wichtig für die Vermittlung von Geschichte und man braucht sie, aber man muss sie auch entsprechend vermitteln."
Tagesspiegel-Video vom 19.03.2014 [9]
Stadtplanerische Bedeutung - ein Ort der Identifikation
Mit den Planungen zur Stadterneuerung versuchen die beauftragten Landschaftsarchitekten Orte zu schaffen, an denen sich die Anwohner, aber auch Besucher wohl fühlen. So sind am Landwehrkanal im Verlauf des Maybachufers bereits mehrere Aussichtspodeste errichtet worden. Auch im Weichselpark sieht der vorliegende Plan ein solches Bauwerk ganz in der Nähe des nicht mehr vorhandenen Kiehlstegs vor. Manchmal werden diese Punkte von der Bevölkerung angenommen, manchmal verwahrlosen sie auch nach kurzer Zeit. Der Kiehlsteg hatte genau die Funktion eines unverwechselbaren Ortes, der zum Kiez gehört und angenommen war. Er war ein Stück der Identität des Kiezes. Er hätte nur beibehalten werden müssen. Entsprechend gab es auch in den Bürgerversammlungen immer wieder die Forderung den Kiehlsteg zu erhalten - es wurde sogar vorgeschlagen, auf das neu zu errichtende Aussichtspodest zu verzichten und dafür die Sanierung des Kiehlstegs zu finanzieren.
Verkehrliche Bedeutung
Auch wenn der Umweg über die Lohmühlenbrücke nur 128m beträgt, so war sie eine Anbindung des Kiehlufers an den großen Spielplatz, auf der sich Kinder ungefährdet bewegen konnten. Hier einige Zitate aus den Leitlinien zum Fußgängerverkehr der abreißende Behörde:
- Maßnahmen für die Fußgänger sind erheblich kostengünstiger als die Infrastruktur für den motorisierten Verkehr. Die Förderung des Fußverkehrs entlastet daher die öffentlichen Haushalte.
- Gute Lebensbedingungen und attraktive öffentliche Räume machen die Stadt interessant für innovative und kreative Bewohner, für Besucher und für Investoren.
- Der Anteil der Fußgänger, die mit den Bedingungen für den Fußverkehr in Berlin zufrieden oder sehr zufrieden sind, soll bis 2016 deutlich gesteigert werden.
- Eine fußgängerfreundliche Stadt ist in erster Linie eine Stadt der kurzen Wege – zu Läden und öffentlichen Einrichtungen, zu Arbeitsplätzen, Haltestellen und Grünflächen.
Zitate aus: Fußverkehrsstrategie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt [10]
Kommentar von Wolfram Däumel
Hier zeigt sich wieder einmal, wie gute Leitlinien der Senatspolitik nicht in der Realität ankommen. Das gilt für den Denkmalschutz, die Sanierungsziele sowie die Fußverkehrsstrategie gleichermaßen. Am Abriss des Kiehlstegs lässt sich ablesen, wie die Umsetzung dieser Ziele an bürokratischen Hürden scheitert.
Es ist ein Armutszeugnis für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, wenn eine Abteilung ohne (oder trotz?) Kenntnis der in anderen Abteilungen aufgestellten Leitlinien den Abriss aus monetären Gründen veranlasst und damit die Ziele der eigenen Verwaltung konterkariert.