Wolfram Däumel, Berlin 2012/2016, 48h: Wildenbruchplatz als Paradies
Wildenbruchparadies

Aufwertung des Wildenbruchplatzes

Foto: Café Madame Zucker mit den ausgestellten Werken während des Kunstfestivals 48h Neukölln.

48h Neukölln sind anstrengend - also mal eine Pause im Café einlegen. 2012 war das bei Madame Zucker und dort lief gerade eine Kunstaktion, bei der die Besucher Buntstifte mit der Aufforderung in die Hand bekamen, einmal aufzuzeichnen, wie sie sich das Paradies vorstellen. Das war nicht schwer, sofern man die Schönheiten des öffentlichen Raumes in Neukölln hinter der Verwahrlosung und Degradierung zum Parkplatz erkennt.

Skizze vom Wildenbruchplatz mit den vorgeschlagenen Verbesserungen.
Wildenbruchpla....radies

Also wurde ein Lageplan des Wildenbruchplatzes gezeichnet und notiert, was notwendig wäre, um paradiesische Zustände für die Besucher herzustellen:

Park zum Ufer öffnen
  • Weigandufer dem Park zuschlagen
  • Zaun entfernen
  • Sträucher zurückschneiden
  • Sichtachsen schaffen

Verkehrsplanung

Beim Treffen des Beteiligungsgremiums im Sanierungsgebiet Sonnenallee am 23.10.2015 wurde der Wunsch geäußert, „die Uferbereiche und die Bereiche entlang des Weigandufers das Buschwerk zu besseren Einsehbarkeit der Straße zu lichten und die Sitzmöglichkeiten zu erneuern bzw. durch neue zu ergänzen.
Als weiteres Thema wurde das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit im Bereich Weigandufer angesprochen. Der Wunsch nach verkehrsberuhigenden Maßnahmen wurde durch die Anwesenden geäußert.“
 [3]
Der Vorschlag zur Öffnung des Parks zum Ufer hin entspricht diesen Wünschen nach verbesserter Aufenthaltsqualität.

Am 6. Januar 2016 beschließt der Ausschuss für Verkehr und Tiefbau der BVV Neukölln einstimmig die Empfehlung, das Weigendufer in seiner gesamten Länge als Fahrradstraße auszuweisen. [4] Dieser Beschluss steht nicht im Widerspruch zum Vorschlag der Öffnung des Parks zum Ufer hin. Wenn in diesem Bereich keine Kfz fahren und parken, benötigt der Radverkehr nur einen Teil der Straßenfläche.

Freiflächenplanung

In dem Gutachten „Vorbereitende Untersuchungen zur Stadterneuerung Maybachufer / Elbestraße“ wird festgestellt, dass im Untersuchungsgebiet Freiflächen von 3,6 ha existieren, für die vorhandene Bevölkerungszahl den Richtwerten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zufolge aber 17,5 ha vorhanden sein müssten. „Innerhalb des Untersuchungsgebietes gibt es starke Defizite bei der Versorgung mit wohnungsnahem Freiraum.“ [1] In Anbetracht des Defizites von 14 ha und weiter wachsender Bevölkerungszahl ist das Zuschlagen des Weigandufers zum Wildenbruchpark nicht nur möglich, sondern geboten. [2]

Foto: Radfahrer mit Kinderanhänger benutzt die Fahrraddurchfahrt Nordufer.
Das Nordufer im Wedding zwischen Pekinger Platz und Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal könnte Vorbild für das Weigandufer zwischen Wildenbruchplatz und Neuköllner Schiffahrtskanal sein.

Am Weichselplatz wurde bereits in den 1960er Jahren die am Ufer entlang führende Straße dem Park zugeschlagen und begrünt. Am Wildenbruchplatz ist es sinnvoller, die befestigte Fläche beizubehalten. Der nicht für den Radweg benötigte Teil der Straßenfläche kann so, wie es am Nordufer im Wedding gemacht wurde, als dringend benötigte Spielfläche zur Verfügung gestellt werden. Der große Bedarf an befestigten Freiflächen zeigt sich deutlich an der starken Nutzung des Tempelhofer Feldes. Während dort die Erwachsenen zum Zuge kommen, fehlt es an wohnortnahen Entsprechungen für Kinder, deren Bewegungsdrang sich im Straßenraum sonst kaum entfalten kann. Diese Fläche könnte eine gute Ergänzung des vorhandenen Spielplatzes sein, auf der Kinder sich mit Roller oder Rollschuh bewegen und natürlich Radfahren lernen und üben können.

Der Abriss des Kiehlstegs im März 2014 hat deutlich gemacht, wie wenig Bewusstsein für sinnvolle stadtplanerische Ziele bei Politik und Behörden vorhanden ist. Dass die Ankündigung des Abrisses im zuständigen Ausschuss der BVV Neukölln Ende 2012 nur zur Kenntnis genommen wurde, ohne dass auch nur eine Fraktion einen Prüfantrag auf Erhalt gestellt hat, zeigt wie schlecht es um den Erhalt identitätsstiftender Orte in Neukölln bestellt ist. Damit sich die Bevölkerung mit ihrer Umgebung indentifiziert, müssen besondere Orte vorhanden sein, die es woanders nicht gibt.
Das gilt für den nun verschwundenen Kiehlsteg ebenso wie für die stillgelegte, aber noch vorhandene Toilettenanlage an der Wildenbruchbrücke. Diese wurde von 2006 bis 2012 von den Kunstfestivals 48h Neukölln und Nacht und Nebel bespielt. In den letzten Jahren gab es dafür keine Genehmigung seitens des Wasser- und Schifffahrtsamtes mehr.
Momentan wird die Anlage zwar noch als Lagerraum genutzt, der bauliche Zustand der ehemaligen Toilette kann die zuständige Behörde aber plötzlich zum Handeln zwingen. Insbesondere die Glasbausteindecke könnte ein Problem darstellen, wenn die Tragfähigkeit gefährdet ist. Würde die Anlage zur Wahrung der Verkehrssicherheit zugemauert und verfüllt, wäre dieser Ort genauso verloren, wie der Kiehlsteg. In der zukünftigen Planung für die Aufwertung des Wildenbruchplatzes werden die dann beauftragten Landschaftsarchitekten die Anlage vermutlich gerne mit einbeziehen und Nutzungskonzepte vorschlagen - wenn es diese Anlage bis dahin noch gibt. Hier sollte baldigst Klarheit geschaffen werden.

In dem Gutachten „Vorbereitende Untersuchungen zur Stadterneuerung Maybachufer / Elbestraße“ heißt es weiterhin: „Allerdings bedürfen die Eingangsbereiche in den Park einer grundlegenden Aufwertung, die umlaufenden Maschendrahtzäune wirken zudem sehr provisorisch. Zudem ist der Park aus der Finowstraße nicht unmittelbar zugänglich. Die Gehölzbereiche zeigen zum Teil Wildwuchs und die hölzernen Parkbänke haben starke Abnutzungserscheinungen und bedürfen einer Erneuerung.“ [1]

Die Aufhebung des Weigandufers als Straße böte die Möglichkeit, am Eingang Wildenbruchbrücke eine Platzsituation zu schaffen, die mit Einbeziehung der ehemaligen Toilettenanlage einen Bezugspunkt für das ganze Stadtviertel sein könnte. Die im Sommer den Uferweg einschränkenden Sitzplätze eines Cafés würden dort wesentlich günstiger stehen und den Platz beleben. Die Erweiterung des Alfred-Scholz-Platzes mit dem Bau der Rixbox auf der ehemaligen Straßenfläche der Ganghofer Straße zeigt, dass so etwas auch in Neukölln möglich ist.