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Richard Müller / Wolfram Däumel, Broschüre der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987 - Teil 1
Fahrradverkehr in der Südlichen Friedrichstadt

Neue Maßstäbe bei der Radverkehrsplanung

Radverkehr in Haupt­verkehrs­straßen

Radfahrer sollten nur soweit notwendig in Kraftfahrzeug-Haupt­verkehrs­straßen geführt werden. Diese sind für längere Fahrstrecken unattraktiv: Zu den genannten Behinderungen auf den Radwegen kommt die Lärm- und Abgasbelästigung stark von Kraft­fahr­zeugen befahrener Straßen. Für den Quell- und Zielverkehr müssen allerdings auch in diesen Straßen Radverkehrsanlagen geschaffen werden.

Lärmwirkung

Radfahrer sind dem Verkehrslärm besonders stark ausgesetzt. "Auf innerstädtischen Haupt­verkehrs­straßen sind 90dB(A) schon keine Seltenheit mehr. Eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung beginnt ab 85dB(A). Aber auch schon eine Dauerbeschallung von 45dB(A) kann zu Gesundheitsstörungen führen." [13] Direkte Folge der Lärmbelastung sind Nervosität und Verringerung der Konzentrationsfähigkeit, was wiederum die Unfallgefahr erhöht.

Abgasproblematik

Die Konzentration giftiger Abgase aus Verbrennungsmotoren hat in Haupt­verkehrs­straßen das gesundheitlich erträgliche Maß längst überschritten. Neben direkter Einwirkung auf das Wohlbefinden ist bei regelmäßiger Einwirkung mit Langzeitschäden zu rechnen. Eine Gefährdung geht hauptsächlich von folgenden Stoffen aus:
Kohlenmonoxid:
Störung des Beobachtungsvermögens, Angriff auf Herzmuskulatur und Zentralnervensystem.
Kohlenwasserstoffe: Narkotisierende Wirkung, Lungenkrebs- und Leukämiegefahr.
Schwefeldioxid: Reizung der Haut, der Augen, der Atemwege, Bronchialkrankheiten, Magen- und Darmkrankheiten.
Stickoxide: Reizung der Atemwege und Augenbindehäute, Beeinträchtigung des Zentralnervensystems.
Blei: Ablagerung in den Knochen, Störung des Stoffwechsels, Nervenschäden im Gehirn, Nierenschäden bis hin zur Schädigung der Erbsubstanz.
Lungengängige Feinstäube: Beeinträchtigung der Muskulatur des Atemtraktes, negative Auswirkungen auf den Reinigungsapparat der Lunge, Träger anderer krebserregender Substanzen. [8]

Radverkehr in Nebenstraßen

Viele Radfahrer suchen sich daher einen Weg durch Nebenstraßen. Dabei stoßen sie aber auf vielfältige Probleme:

  • Schwierige Überquerung von Haupt­verkehrs­straßen wenn keine Lichtzeichenanlage vorhanden ist; sonst lange Wartezeiten bei Rot
  • Überqueren oft nicht möglich (Abbiegegebot, durchgehender Mittelstreifen).
  • Absteigen bei nur für Fußgänger durchlässigen Sackgassen und Grünanlagen.
  • Umwege durch Einbahnstraßen, die entgegen der eigenen Fahrtrichtung verlaufen.
  • Schlechter Fahrbahnbelag (holpriges Pflaster, Schlaglöcher).
  • Letzten Endes erfordert die Nutzung solcher Routen gute Ortskenntnis.
Fahr­rad­routen durch Nebenstraßen

Aus diesen Gründen hat der ADFC im Frühjahr 1985 ein Konzept 'Velorouten' (=Fahr­rad­routen) vorgelegt. Darin schlägt der ADFC vor, mit der Einrichtung von Fahr­rad­routen flächendeckend auf rund einem Fünftel des Berliner Straßennetzes insgesamt sichere, zügig befahrbare und für den Radfahrer geeignete Routenführungen auszuweisen. Besonderes Gewicht kommt dabei der über Bezirksgrenzen hinweg durchgängigen Führung und der Erschließung von Arbeitsstätten, Schulen, Einkaufszentren und Freizeiteinrichtungen zu. Eigene Radwege zur 'Entmischung' von Kraftfahrzeugverkehr und Fahrradverkehr werden nur an den am stärksten befahrenen Haupt­verkehrs­straßen einbezogen.

Foto:
Dieser Radweg auf dem Bürgersteig der Alexandrinenstraße stellt eine Verschlechterung der Situation für Radfahrer dar.

Aufbauend auf die Erfahrungen, die mit der seit 1979 bestehenden Modell­route vom Witten­berg­platz zum Inns­brucker Platz gewon­nen wurden, sowie in Anleh­nung an die Empfeh­lungen für Radver­kehrs­anlagen der Forschungs­gesell­schaft für das Straßen- und Verkehr­swesen aus dem Jahre 1982 (veröffentlicht durch den Bundes­minister für Verkehr) sowie die bestehenden Velo­routen (Basel, Zürich, Tilburg, Den Haag, London) soll dieses Netz von Velo­routen umfassen:

  • durchgehende Wegweisung für Radfahrer, auch mit Angabe überbezirklicher Ziele und Entfernungen,
  • möglichst wenige Straßen mit Radwegen,
  • verkehrsberuhigte Straßen und ruhige Verkehrsstraßen,
  • selbständig geführte Radwege, z.B. in Grünanlagen,
  • Fahrradstraßen (das sind Straßen, auf denen der Radfahrer durch eine besondere Beschilderung begünstigt wird) mit Vorfahrt,
  • für Radfahrer durchlässige Sackgassen und Diagonalsperren,
  • in Gegenrichtung für Radfahrer geöffnete Einbahnstraßen (unechte Einbahnstraßen),
  • in stärker befahrenen Straßen eigene Markierungen auf der Fahrbahn, auch eigene Markierungen für links abbiegende Radfahrer,
  • sichere und zügige Führung der Radfahrer über Knoten,
  • gute Einbeziehung der Radfahrer an Lichtsignalanlagen (kurze Rotzeiten, kein mehrfaches Warten innerhalb einer Kreuzung)."

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