In den genannten Empfehlungen der Forschungsgesellschaft [16] werden Velorouten folgendermaßen definiert:
"Velorouten sind besonders attraktive Hauptverbindungen innerhalb eines Radverkehrsnetzes, die Durchgangsradverkehr aufnehmen sollen. Sie (...) zeichnen sich vor allem durch besonders großzügige Bemessung und hohen Fahrkomfort für die Radfahrer aus.
An Kreuzungsstellen mit anderen Verkehrswegen können Velorouten bevorrechtigt werden.
Langsamer Kraftfahrzeugverkehr von Anwohnern kann in Teilbereichen auf Velorouten zugelassen werden.
Velorouten bieten sich vor allem für sehr stark befahrene Radverkehrsverbindungen an, die wichtige Zieleund Quellen verbinden. Dabei sollte die hohe Qualität der Radverkehrsanlage auf möglichst langer Strecke ununterbrochen beibehalten werden können. Einzelne Velorouten können ein Radverkehrsnetz nicht ersetzen."
Erste Versuche mit Fahrradrouten gab es bereits während der 60er Jahre in Groß Britannien und den Niederlanden. In beiden Ländern wurde bei der Anlage von neuen Städten und Trabantenstäden eigene Verkehrsnetze für Radfahrer und Fußgänger eingerichtet.
Die Wege verlaufen häufig unabhängig von Autostraßen und kreuzen diese mittels Unterführungen. Beispiele sind die Städte Stevenage und Peterborough in GB [15], Amsterdam Zuid, Lelystad und Almere in den NL. In Hinblick auf die Berliner Situation sind allerdings die Versuche mit Fahrradrouten in gewachsenen Städten interessanter: In den Niederlanden ist das Fahrrad traditionell ein beliebtes Verkehrsmittel. Seit Beginn der Motorisierung wurde dennoch das Fahrrad bei der Verkehrsplanung in den Innenstädten nicht berücksichtigt. Das änderte sich Mitte der 70er Jahre. H.J. van Vulpen vom Verkehrsministerium in Den Haag: "Die starke Gefährdung der Radfahrer und der Rückgang der Fahrradnutzung waren für den Staat und die Gemeinden Anlass, verkehrspolitische Maßnahmen zugunsten des Fahrrades zu ergreifen." [24] So wurden neben großzügig bemessenen Radwegen und Radfahrstreifen zwei Fahrradrouten-Modellversuche geplant. Die Route in Tilburg wurde 1977, die in Den Haag 1978 in Teilstücken in Betrieb genommen. Es sollten möglichst bequeme Routen in reizvoller und abwechslungsreicher Umgebung geschaffen werden. Sie wurden deshalb durch Nebenstraßen geführt. Die Routen bestehen hauptsächlich aus einem Zwei-Richtungs-Radweg von mindestens 3,50m Breite, der an Kreuzungen mit Nebenstraßen Vorfahrt erhielt. Die Zahl der Radfahrer auf diesen Routen hat enorm zugenommen (150-240%). Bei einer Umfrage unter den Benutzern der Route wurde besonders hervorgehoben, daß es sich sicherer, angenehmer und schneller radfahren läßt, als auf den bisherigen Wegen. Probleme traten allerdings mit abbiegenden Kraftfahrzeuge dort auf, wo der Zwei-Richtungs-Radweg parallel einer Straße über Kreuzungen geführt wurde. [24]
In Schweizer Großstädten gehören Fahrradrouten (dort Velorouten genannt) heute zum festen Bestandteil der Radverkehrsplanung. In Zürich wurde in Anbetracht der beengten Verhältnisse ganz auf ein Hauptstraßen-Radwegenetz verzichtet und ein 200km langes, zusammenhängendes Netz von Velorouten durch Nebenstraßen entworfen. Dabei wurde die kurzfristige Machbarkeit der perfekten Langfrist-Lösung vorgezogen. Der Autoverkehr wurde in den entsprechenden Straßen reduziert und die Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge gedrosselt. Radwege wurden nur in besonderen Fällen vorgesehen. Neue Fahrradrouten werden in kostenlosen Faltprospekten beschrieben und im amtlichen Tagblatt veröffentlicht. Parallel dazu wurden Maßnahmen beschlossen, die dem Radfahrer ermöglichen, wieder überall ohne Umwege durchfahren zu können - allerdings unter Wahrung der Interessen der Fußgänger. Genannt werden legales Radfahren gegen die Einbahnstraße, Freigabe von Fußgängerunterführungen, Parkwegen und Öffnen von Sackgassen für Radfahrer. [24]
Auch in Deutschland gibt es bereits erfolgreiche Versuche mit Fahrradrouten. Die Stadt Erlangen begann schon 1972 mit der Planung und Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur. Dabei wurde neben dem Bau von Radwegen ein Leitsystem für den Radverkehr eingeführt, das auch Fahrradrouten durch Nebenstraßen einschließt. Bemerkenswert für deutsche Verhältnisse ist die Kreuzung eines Zwei-Richtungs-Radweges mit einer Straße, bei der Radfahrer Vorfahrt haben. Hauptverkehrsstraßen werden im Verlauf dieser Route durch Unterführungen und an einer Stelle mit Hilfe einer Lichtzeichenanlage gekreuzt. Die Zahl der Fahrradfahrten konnte durch diese Maßnahmen von 1974 bis 1980 um 70% gesteigert werden. 1980 wurden bereits 26% aller Wege innerhalb des Stadtgebietes mit dem Fahrrad zurückgelegt. [5] In Berlin (West) wurden 1976 3,4% aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt. [11] Zwar muß berücksichtigt werden, daß in Berlin viele Wege erheblich länger sind, jedoch ist der Anteil der Kurzstreckenfahrten mit dem Pkw in Berlin überdurchschnittlich hoch.
In Bremen wurden drei Straßen als Fahrradstraßen, dort 'Radfahrerzonen' genannt, ausgewiesen. Dabei wird der Radverkehr auf einem Radfahrstreifen in der Straßenmitte geführt. Der Kraftfahrzeugverkehr ist nur in einer Richtung zugelassen.
"Bei einer entsprechenden Umgestaltung ist der Sicherheitszustand von Radfahrerzonen besser als der vorherige Zustand und meist auch besser als auf Parallelrouten. Die konflikthaften Begegnungen sind nach Zahl und Schwere deutlich zurückgegangen. Als wesentliche Ursache für diese Verbesserung wird angesehen, daß der Radfahrer durch die mittige Führung des Verkehrsbandes und die verstärkte Radnutzung immer im Blickfeld und Bewußtsein der Autofahrer bleibt." [21]