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Richard Müller / Wolfram Däumel, Broschüre der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987 - Teil 1
Fahrradverkehr in der Südlichen Friedrichstadt
Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen

In den genannten Empfehlungen der Forschungsgesellschaft  [16] werden Velorouten folgendermaßen definiert:
"Velorouten sind besonders attraktive Hauptverbindungen innerhalb eines Radverkehrsnetzes, die Durchgangsradverkehr aufnehmen sollen. Sie (...) zeichnen sich vor allem durch besonders großzügige Bemessung und hohen Fahrkomfort für die Radfahrer aus.
An Kreuzungsstellen mit anderen Verkehrswegen können Velorouten bevorrechtigt werden.
Langsamer Kraftfahrzeugverkehr von Anwohnern kann in Teilbereichen auf Velorouten zugelassen werden.
Velorouten bieten sich vor allem für sehr stark befahrene Radverkehrsverbindungen an, die wichtige Zieleund Quellen verbinden. Dabei sollte die hohe Qualität der Radverkehrsanlage auf möglichst langer Strecke ununterbrochen beibehalten werden können. Einzelne Velorouten können ein Radverkehrsnetz nicht ersetzen."

Fahr­rad­routen in anderen Städten

Erste Versuche mit Fahr­rad­routen gab es bereits während der 60er Jahre in Groß Britannien und den Niederlanden. In beiden Ländern wurde bei der Anlage von neuen Städten und Trabantenstäden eigene Verkehrsnetze für Radfahrer und Fußgänger eingerichtet.

Grafik:
Den Haag: Fahr­rad­route als 3,50 m breiter Zwei-Richtungs-Radweg (schwarz) in einer Geschäftsstraße (Weimarstraat); aus  [24].

Die Wege verlaufen häufig unabhängig von Autostraßen und kreuzen diese mittels Unterführungen. Beispiele sind die Städte Stevenage und Peterborough in GB  [15], Amsterdam Zuid, Lelystad und Almere in den NL. In Hinblick auf die Berliner Situation sind allerdings die Versuche mit Fahr­rad­routen in gewachsenen Städten interessanter: In den Niederlanden ist das Fahrrad traditionell ein beliebtes Verkehrsmittel. Seit Beginn der Motorisierung wurde dennoch das Fahrrad bei der Verkehrsplanung in den Innenstädten nicht berücksichtigt. Das änderte sich Mitte der 70er Jahre. H.J. van Vulpen vom Verkehrsministerium in Den Haag: "Die starke Gefährdung der Radfahrer und der Rückgang der Fahrradnutzung waren für den Staat und die Gemeinden Anlass, verkehrspolitische Maßnahmen zugunsten des Fahrrades zu ergreifen."  [24] So wurden neben großzügig bemessenen Radwegen und Radfahr­streifen zwei Fahr­rad­routen-Modell­versuche geplant. Die Route in Tilburg wurde 1977, die in Den Haag 1978 in Teilstücken in Betrieb genommen. Es sollten möglichst bequeme Routen in reizvoller und abwechslungsreicher Umgebung geschaffen werden. Sie wurden deshalb durch Nebenstraßen geführt. Die Routen bestehen hauptsächlich aus einem Zwei-Richtungs-Radweg von mindestens 3,50m Breite, der an Kreuzungen mit Nebenstraßen Vorfahrt erhielt. Die Zahl der Radfahrer auf diesen Routen hat enorm zugenommen (150-240%). Bei einer Umfrage unter den Benutzern der Route wurde besonders hervorgehoben, daß es sich sicherer, angenehmer und schneller radfahren läßt, als auf den bisherigen Wegen. Probleme traten allerdings mit abbiegenden Kraft­fahr­zeuge dort auf, wo der Zwei-Richtungs-Radweg parallel einer Straße über Kreuzungen geführt wurde. [24]

In Schweizer Großstädten gehören Fahr­rad­routen (dort Velorouten genannt) heute zum festen Bestandteil der Radverkehrsplanung. In Zürich wurde in Anbetracht der beengten Verhältnisse ganz auf ein Hauptstraßen-Radwegenetz verzichtet und ein 200km langes, zusammenhängendes Netz von Velorouten durch Nebenstraßen entworfen. Dabei wurde die kurzfristige Machbarkeit der perfekten Langfrist-Lösung vorgezogen. Der Autoverkehr wurde in den entsprechenden Straßen reduziert und die Geschwindigkeit der Kraft­fahr­zeuge gedrosselt. Radwege wurden nur in besonderen Fällen vorgesehen. Neue Fahr­rad­routen werden in kostenlosen Faltprospekten beschrieben und im amtlichen Tagblatt veröffentlicht. Parallel dazu wurden Maßnahmen beschlossen, die dem Radfahrer ermöglichen, wieder überall ohne Umwege durchfahren zu können - allerdings unter Wahrung der Interessen der Fußgänger. Genannt werden legales Radfahren gegen die Einbahnstraße, Freigabe von Fußgängerunterführungen, Parkwegen und Öffnen von Sackgassen für Radfahrer. [24]

Grafik:
Fahrradstraße in Bremen mit Radfahr­streifen in der Fahrbahnmitte. Kleine Pfeile: Radverkehr, große Pfeile: Kraftfahrzeugverkehr, 1: Zeichen 237 StVO ('Radfahrer') auf der Straße aufgetragen; aus  [21].

Auch in Deutschland gibt es bereits erfolgreiche Versuche mit Fahr­rad­routen. Die Stadt Erlangen begann schon 1972 mit der Planung und Verbes­serung der Fahrrad-Infra­struktur. Dabei wurde neben dem Bau von Rad­wegen ein Leit­system für den Rad­ver­kehr eingeführt, das auch Fahr­rad­routen durch Neben­straßen ein­schließt. Bemerkens­wert für deutsche Verhält­nisse ist die Kreuzung eines Zwei-Richtungs-Radweges mit einer Straße, bei der Radfahrer Vorfahrt haben. Haupt­verkehrs­straßen werden im Verlauf dieser Route durch Unter­führungen und an einer Stelle mit Hilfe einer Licht­zeichen­anlage gekreuzt. Die Zahl der Fahrrad­fahrten konnte durch diese Maßnahmen von 1974 bis 1980 um 70% gesteigert werden. 1980 wurden bereits 26% aller Wege innerhalb des Stadt­gebietes mit dem Fahrrad zurück­gelegt. [5] In Berlin (West) wurden 1976 3,4% aller Wege mit dem Fahrrad zurück­gelegt. [11] Zwar muß berück­sichtigt werden, daß in Berlin viele Wege erheblich länger sind, jedoch ist der Anteil der Kurz­strecken­fahrten mit dem Pkw in Berlin über­durch­schnitt­lich hoch.
In Bremen wurden drei Straßen als Fahr­rad­straßen, dort 'Rad­fahrer­zonen' genannt, ausge­wiesen. Dabei wird der Rad­ver­kehr auf einem Rad­fahr­streifen in der Straßen­mitte geführt. Der Kraft­fahr­zeug­verkehr ist nur in einer Richtung zugelassen.
"Bei einer entsprech­enden Umge­staltung ist der Sicherheit­szustand von Radfahrerzonen besser als der vorherige Zustand und meist auch besser als auf Parallelrouten. Die konflikthaften Begegnungen sind nach Zahl und Schwere deutlich zurückgegangen. Als wesentliche Ursache für diese Verbesserung wird angesehen, daß der Radfahrer durch die mittige Führung des Verkehrsbandes und die verstärkte Radnutzung immer im Blickfeld und Bewußtsein der Autofahrer bleibt." [21]

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